Seit dem 18. August 2006 besteht die Möglichkeit, eine Genossenschaft auf europäischer Ebene zu gründen: eine Societas Cooperativa Europea (SCE). Aber wo liegen eigentlich die Unterschiede zu einer (Wohnungsbau-)Genossenschaft nach ausschließlich deutschem Recht? Und stellt die Europäische Genossenschaft möglicherweise eine sinnvolle alternative Rechtsform für die DWG eG aus Großwallstadt dar? In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf dieses Thema.
Wie funktioniert eine Europäische Genossenschaft?
Das Ziel der EU bei der Schaffung der SCE war es, Genossenschaften die internationale Arbeit in der EU beziehungsweise im europäischen Wirtschaftsraum zu erleichtern. Denn obwohl die Grundidee der Genossenschaft überall ähnlich ist, unterscheiden sich die gesetzlichen Details von Land zu Land. Für Genossenschaften, die in mehr als einer Nation tätig sind, bringt das naturgemäß einiges an erhöhtem Verwaltungsaufwand mit sich und erschwert eine länderübergreifende Tätigkeit. Mit der Rechtsform der SCE wurde daher ein einheitlicher rechtlicher Rahmen geschaffen, um eben solche Kooperationen zu erleichtern.
Da die Europäische Genossenschaft dabei Aspekte aus vielen nationalen Rechtsformen vereint, können sich bestimmte Vorteile gegenüber diesen länderspezifischen Genossenschaften ergeben. So gilt etwa nach deutschem Recht der Grundsatz „ein Mitglied, eine Stimme“ – das heißt: Egal, wie hoch die Kapitaleinlagen der einzelnen Mitglieder sind, in der Generalversammlung besitzen alle stets das gleiche Stimmrecht. Nach europäischem Recht darf die Kapitalbeteiligung bei der Bemessung der Stimmanzahl zwar immer noch keine Rolle spielen, wohl aber Aspekte wie etwa die Zahl der monatlich geleisteten Arbeitsstunden. So können einzelne Mitglieder in bestimmten Fällen bis zu fünf Stimmen erhalten.
Generell bietet die europäische Rechtsform in einigen Bereichen mehr Flexibilität. Beispielsweise können sich SCE entscheiden, ob sie verwaltungstechnisch dem monistischen System (Verwaltungsorgan und Generalversammlung) oder dem dualistischen System (Vorstand, Aufsichtsrat und Generalversammlung, was der deutschen Rechtsform entspricht) folgen möchten. Zudem ist ein gewisser proportionaler Anteil an sogenannten investierenden Mitgliedern möglich, die über beschränktes Stimmrecht verfügen.
Zur Gründung einer SCE existieren prinzipiell drei verschiedene Varianten: Zum einen können mindestens fünf natürliche und/oder juristische Personen, die ihren Wohn- beziehungsweise Geschäftssitz in mindestens zwei unterschiedlichen EU-Mitgliedsstaaten haben, eine Europäische Genossenschaft neu gründen. Alternativ können bereits bestehende nationale Genossenschaften in eine SCE umgewandelt werden, sofern sie seit mindestens zwei Jahren eine Niederlassung in einem zweiten EU-Land besitzen. Und zuletzt können sich zuvor eigenständige nationale Genossenschaften aus mehreren EU-Staaten zu einer Europäischen Genossenschaft zusammenschließen. Voraussetzung ist in allen drei Fällen ein Grundkapital von 30.000 €.
Sollte die DWG eG eine Europäische Genossenschaft werden?
Die Rechtsform der SCE ist ein wunderbares und sinnvolles Instrument, um EU-weit agierende Genossenschaften, den Binnenmarkt und nicht zuletzt die europäische Idee an sich zu stärken. Aber – Sie werden es sich schon gedacht haben – die Europäische Genossenschaft stellt für die DWG eG aus Großwallstadt keine sinnvolle Alternative dar, da wir ausschließlich in Deutschland agieren. Somit ist bereits eine der zentralen juristischen Grundvoraussetzungen nicht gegeben. Aber selbst wenn diese Bedingung wegfiele, wäre der praktische Nutzen im Vergleich zur deutschen eG begrenzt – insbesondere in Anbetracht des „Gesetzes zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform“, über das wir hier und hier bereits berichtet haben.